Suchtmittelmissbrauch im Betrieb

Was können Führungskräfte tun bei riskantem Substanzkonsum oder Suchtverhalten von Personen im Betrieb? "Wahrnehmen ist der erste Schritt" sagt Mag. Rosmarie Kranewitter-Wagner vom Institut Suchtprävention.

Wenn ArbeitnehmerInnen einen riskanten Umgang mit Alkohol, anderen psychoaktiven Substanzen oder Verhaltensweisen wie zum Beispiel Glücksspiel, pflegen, zeigt sich das durch eine Vielzahl von beobachtbaren Auffälligkeiten. Besonders dann, wenn sich das Arbeits- und Sozialverhalten oder das äußere Erscheinungsbild innerhalb kurzer Zeit verändern, lohnt sich ein genauerer Blick.

Führungskräfte können und brauchen jedoch keine Diagnosen stellen. Ihre Verantwortung liegt dort, wo es zu Veränderungen im Arbeitsverhalten und zu Pflichtverletzungen im direkten Bezug zur beruflichen Tätigkeit kommt. Eine Gewissheit in Bezug auf die genaue Substanz, das Ausmaß des Konsums und ob es tatsächlich schon Sucht ist, ist dabei keine notwendige Voraussetzung, um ein Gespräch mit dem/der betroffenen MitarbeiterIn zu führen.

Vorgesetzte sollten eine Zeit lang genau beobachten und sich Notizen machen. Diese notierten Beobachtungen und Fakten schärfen die eigene Wahrnehmung und erleichtern das eigene Urteil. Sollte es zu einem Gespräch kommen, stellen sie eine wichtige Grundlage dar.

Beobachtet werden können

  • Konkrete Vorfälle: was, wann, wie, wo, …
  • Beziehungsebene: sozialer Rückzug, Provokation, Überanpassung, …
  • Emotionale Ebene: Lustlosigkeit, Aggressivität, Ängstlichkeit, …
  • Verhaltensebene: Unruhe, Unkonzentriertheit, Schläfrigkeit, Distanzlosigkeit…
  • Körperebene: gerötete Augen, Gewichtsveränderungen, mangelnde Körperpflege, …


Frühintervention als Instrument betrieblicher Suchtprävention

Meist spüren Menschen intuitiv, wenn jemand in ihrem beruflichen Umfeld ein Alkoholproblem oder einen riskanten Umgang mit anderen psychoaktiven Substanzen hat. Trauen Sie Ihrer Wahrnehmung und suchen Sie das Gespräch mit der betroffenen Person! Als ArbeitskollegIn können Sie Ihre Sorge ausdrücken, auf Hilfseinrichtungen hinweisen und Ihre Führungskraft mit ins Boot holen. Als Vorgesetzte ist es nach einer Phase des bewussten Beobachtens und Dokumentierens, Zeit für ein strukturiertes Gespräch mit dem/der Betroffenen.

Betriebsvereinbarungen zur Suchtprävention, die auch einen abgestuften Interventionsleitfaden („Stufenplan“) beinhalten, stellen dabei eine große Unterstützung dar. Alle Beteiligten wissen, wer in welcher Stufe eingebunden wird, welche Sanktionen gesetzt und welche Unterstützungsangebote gemacht werden können. Verfügt Ihr Unternehmen nicht über ein Suchtpräventions-Programm, orientieren Sie sich trotzdem an den von Fachleuten entwickelten Schritten:

  • Dokumentieren Sie Ihre Wahrnehmungen: Vorfälle, Verhaltensveränderungen, ...
  • Tauschen Sie sich über Ihre Wahrnehmungen aus - mit anderen Führungskräften, ArbeitsmedizinerIn, …
  • Suchen Sie möglichst frühzeitig das Gespräch mit der betroffenen Person. Teilen Sie Ihre Beobachtungen und Ihre Sorge mit, fordern Sie eine Verhaltensänderung ein und bieten Sie Hilfe an. Vereinbaren Sie ein Folgegespräch nach einem Beobachtungszeitraum.
  • Holen Sie sich Unterstützung von innerbetrieblichen Ansprechpersonen oder Suchtberatungsstellen für diese herausfordernde Führungsaufgabe

Wichtig ist, dass Sie nicht in die als „Co-Verhalten“ bekannte Dynamik rutschen, betroffene MitarbeiterInnen zu schonen und Verständnis zu haben für den aktuellen Konsum bzw. das riskante Verhalten. Vielmehr ist es hilfreich, Suchtgefährdete mit ihrem Verhalten und dessen Auswirkungen zu konfrontieren, eine Verhaltensveränderung einzufordern und – verknüpft mit Hilfeangeboten – die Verbindlichkeit mit jedem Schritt zu erhöhen. Nur so entsteht jener „konstruktive Druck“, der eine positive Veränderung möglich macht.

ArbeitsmedizinerInnen, Betriebsräte und Sicherheitsfachkräfte, die ebenfalls mit dem Thema Mitarbeitergesundheit betraut sind, haben keine Vorgesetztenfunktion und sind daher nicht die Richtigen für Stufenplangespräche. Sie sollten aber im Rahmen ihrer Möglichkeiten ein einheitliches Vorgehen unterstützen, das Suchtentwicklung verhindern soll. Außerdem spielen sie eine wichtige Rolle bei begleitenden Maßnahmen wie Mitarbeiter-Information, Vermittlung von Unterstützungsangeboten oder Abbau betrieblicher Risikofaktoren für Suchtentwicklung.

Weiterführende Beschreibungen, Angebote, Beratungsmöglichkeiten, Tipps, Materialien und Videos zum Thema Früherkennen und Handeln finden Sie unter www.praevention.at (Rubrik Arbeitswelt) und unter www.stepcheck.at